Mein Alleinflug
Kurz vor Flugsaisonende rechnete ich nicht mehr mit der Möglichkeit meinen ersten Alleinflug noch absolvieren zu können. Doch dank fleißiger Fluglehrer und guten Flugbedingungen sollte es noch anders kommen…
Es war der 23. Oktober und das vorletzte Wochenende der Flugsaison und ich brauchte noch die Übungen für die Seiten- und Rückenwindlandungen, bevor der Alleinflug anstand. Ich wollte diesen gerne noch bis zum Ende des Jahres schaffen, allerdings war ich mir nicht mehr sicher, ob das noch etwas werden sollte. Nichtsdestotrotz startete ich gegen 11 Uhr zusammen mit Rolf zu meinem ersten Flug des Tages, und es sollten noch einige weitere folgen…
Nach einem Eingewöhnungsflug machten wir eine Seiten- und eine Rückenwindlandung, bei der man den Flugplatz mal von einer ganz ungewöhnlichen Perspektive zu sehen bekam. Danach war erstmal mein Fliegerkollege Thomas mit Übungsflügen an der Reihe. Ich dachte eigentlich nicht mehr an den Alleinflug, denn ich wollte schon auf die Winde gehen, als Rolf sagte “Du bleibst hier, wir machen noch ein paar Flüge”. Mir schwante schon etwas und ich war auch leicht aufgeregt aber mehr noch neugierig.
Wir stiegen also wieder in die “51” und Rolf sagte: “So Lars, jetzt machst du noch einmal einen schönen Flug, mit guter Platzeinteilung und sauberer Landung.” Gesagt, getan, der Flug war in Ordnung nur bei der Landung fing ich den Bocian wieder einmal zu früh, also zu hoch, ab, wodurch wir erst nach knapp 200 m zum Stehen kamen. Naja, besser als zu kurz landen. Am zweiten Flug gab es dann aber nichts mehr zu beanstanden. Ich musste jedoch gleich im Flieger sitzen bleiben und Uwe, der zweiter Fluglehrer war, stieg ein. Nun wurde es langsam ernst… wenn Uwe sein ok geben würde, würde ich wohl doch noch alleine fliegen müssen… oder dürfen? So genau konnte ich das in diesem Moment nicht sagen.
Der Start und Platzrunde gelang gut, doch im Landeanflug kurz vor dem Abfangen nahm mir eine Böe ordentlich Geschwindigkeit und ich reagierte nicht schnell genug, die Bremsklappen einzufahren und so setzte wir zwar weich, aber ein Paar Meter vor dem Lande-T und ohne Ausschweben auf. Mist, zu weit bin ich schon oft gelandet, aber zu kurz noch nie. Naja, also wieder zurück an den Start und noch ein Versuch. Dieser verlief problemlos, auch die Landung klappte, jedoch war der Luftraum über dem Platz gerade voller ULs und das Funkgerät stand keine Sekunde still, ständig startete oder landete ein UL. Ich dachte mir, hoffentlich ist es nachher etwas ruhiger.
Uwe ließ mich im Flieger sitzen und ich wurde wieder an den Start gezogen. Rolf erledigte den Papierkram und nun war es soweit. Der Fallschirm auf dem hinteren Sitz wurde rausgenommen, Uwe kam zu mir und fragte: “Na, alles klar?” “Klar.”, sagte ich. “Flieg einfach so wie die letzten Flüge.” “Ok.” Viel mehr brachte ich nicht raus. Auch Rolf kam nochmal vorbei und wünschte mir einen guten Flug und dass ich das schaffe. Angst hatte ich nicht, nur etwas mulmig war mir schon. Ich dachte mir, hoffentlich klappt der Start gut, denn an diesem Tag lief die Winde relativ unregelmäßig, mal schnell, mal langsam, mal ruckhaft. Viel Zeit zum Nachdenken war nicht mehr, denn mein Startseil war schon da und Uwe wartete auf meinen Start-Check: “Haube geschlossen und verriegelt, ..., einhängen.” Klack, nun sollte es gleich losgehen. Hand nach oben zum Startleiter, ein paar Sekunden später sehe ich die Rundumleuchte der Winde. Mein Herz schlägt schon schneller und auf einmal beschlägt meine Sonnenbrille, warum denn das jetzt? Aber egal die Winde zieht an, nach 3-4 Sekunden hebe ich ab, Kontrollblick auf den Höhen- und Geschwindigkeitsmesser: über 50m und etwa 100 km/h. Ich ziehe etwas am Höhenruder und gehe in den Steigflug. Die Brille ist nicht mehr beschlagen und die Angespanntheit lässt langsam nach, denn die Winde zieht super gleichmäßig und schön kraftvoll. Das Seil klinkt aus und ich traue kaum meinen Augen, der Höhenmesser zeigt 470 m an, 70 m mehr als sonst! Kontrollblick und dann eine 90° Gradkurve nach rechts. Ein Stückchen geradeaus und dann ein paar Kreise ziehen.
Es ist herrlich: der Bocian fliegt sich ganz sanft, die Luft ist ruhig, ebenso wie das Funkgerät. Ich drehe ein paar Kurven und sehe am Startplatz viele kleine Menschen, die mir zuschauen. Die Sonne guckt auch noch mal kurz durch die Wolken und taucht alles in ein leichtes Abendrot (es ist schon kurz vor 16 Uhr). Genau in diesem Moment fliegt die Wilga mit einem Segler im Schlepptau an mir vorbei in Richtung Sonne, ein toller Anblick! Es ist so schön ruhig, nur der Wind pfeift leicht. Ich beobachte die Autos auf der Straße. Sie sind eigentlich so nah aber doch ganz weit weg. Man ist hier oben doch in einer anderen Welt.
Die Uhr zeigt 250 m an und ich drehe auf die Position ein. Bei 210 m melde ich den Gegenanflug. Die kleinen Striche am Startplatz schauen immer noch auf mich. Ich drehe in den Queranflug ein, auf den kleinen Hügel zu. Höhe 140, Geschwindigkeit 90. Als die Spur des Seile-Autos fast senkrecht auf mich zeigt, drehe ich in den Endanflug. Bremsklappen entriegeln und leicht ausfahren, 90 halten und den Abfangpunkt links neben dem Lande-T suchen. Es gibt keine Böen mehr. Ich fange den Flieger ab, fahre die Bremsklappen voll aus und setze bald auf. Bis zum Stehen steuern, die rechte Fläche berührt den Boden, der Flieger steht… Das war es, ich habe es geschafft. Ich bin überglücklich. Der Flug kam mir total lang vor (wie sich später rausstellte waren es 7 Minuten, nur 2 Minuten weniger als der längste Flug des Tages), es war so schön ruhig, kein Fluglehrer, der einem sagt, was man tun soll. Doch zwei weitere Flüge warteten darauf, absolviert zu werden. Thomas brachte mich mit der Mücke zurück zum Startplatz. Die beiden weiteren Alleinflüge verliefen ebenfalls sehr gut, einmal drehte ich mich um, um mich zu versichern, dass da wirklich niemand mehr hinten drin sitzt. Trotzdem waren die beiden letzten Flüge nicht ganz so schön wie der erste, wahrscheinlich ist der erste Alleinflug sowieso der beeindruckendste, immer im Gedächtnis bleibende Flug.
Geschrieben am 22. Februar 2011 von Lars Bilke.
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